"Tot ist nur, wer vergessen ist" (Immanuel Kant)
Der Wiener Zentralfriedhof ist wohl jedem Wiener und jeder Wienerin ein Begriff. Aber die meisten wissen nichts bis wenig über die Geschichte dieses Friedhofs. Auch Du gehörst du dieser Gruppe? Das kannst Du jetzt hier ändern. Ich erzähle dir gerne einiges Wissenswerte über die Entstehung dieses Ortes. Ich selbst war unzählige Male am Friedhof, bis ich begann, mich für die Geschichte dieses Ortes und auch für seine "Bewohner" zu interessieren. Immer tiefer zog mich die Materie in ihren Bann. Heute bin ich ein großer Fan des Friedhofs und versuche meine Begeisterung auch an andere weiterzugeben.
Johann Georg Lahner war ein Wiener Fleischhauer und der Erfinder der „Frankfurter Würstchen“.
Herkunft
Johann Georg Lahner wurde in Gasselsdorf bei Ebermannstadt (fränkische Schweiz) geboren. Über sein Geburtsdatum gibt es in div. Quellen unterschiedliche Angaben. Mit ziemlicher Sicherheit war es der 5. Oktober 1774, an dem Johann das Licht der Welt erblickte (andere Quellen geben den 13. August 1772 an). Seine Eltern waren einfache Bauern. Da die Lebensumstände in seiner Heimat sehr schlecht waren, verließ Johann Georg 1795 seinen Heimatort und ging nach Frankfurt/Main, wo er eine Fleischerlehre machte. Frankfurt war zu dieser Zeit bekannt für seine Metzger und deren Fleischerzeugnisse. Johann eignete sich während seiner Lehrzeit alle Fähigkeiten zur Zerteilung und Aufbereitung von Fleisch an. Er erlernte aber auch die Herstellung von Wurstwaren. Nach seiner Gesellenzeit ging Johann Georg auf die Walz. 1798 heuerte er an der Donau auf einem flussabwärts fahrenden Schiff als Ruderknecht an. In Wien ging er dann von Bord.
Wiener Würstchen oder Frankfurter?
In Wien sah sich Johann Georg Lahner nach Arbeit um. Eine Zeit lang arbeitete er als Handlanger in der kaiserlichen Münze. Dann stieg er als „Aufhacker“ bei einem Fleischhauer wieder in seinen erlernten Beruf ein. Nachdem ihm eine wohlhabende ältere Dame ein Darlehen in der Höhe von 300 Gulden gewährte, konnte Johann 1804 dann eine eigene Selcherei in der Vorstadt eröffnen. Sein Geschäft befand sich Am Schottenfeld Nr. 54 (= heute Kaiserstraße 99/ Ecke Neustiftgasse 112).
Als Johann Georg Lahner sein Geschäft 1804 eröffnete, gab es in Wien noch kein anerkanntes und geregeltes Selchergewerbe. Die Fleischhauer beschäftigten sich in Wien auch kaum mit der Erzeugung von Wurstwaren. Das überließen sie den sogenannten „Wurst- und Käsemachern“. In Deutschland hingegen war das Metzgerhandwerk bereits weit verbreitet und auch gesetzlich geregelt. Zu den Zuständigkeiten eines Metzgers gehörte dort auch die Herstellung von Wurstwaren. So hatte auch Johann Georg Lahner in Frankfurt die Erzeugung von „Frankfurter Würsten“ gelernt. Diese wurden entweder aus Schweinefleich oder aus Bullenfleisch hergestellt. Es durfte aber immer nur eine Sorte Fleisch verwendet werden. Die Wursterzeugung war damals eine schweißtreibende Angelegenheit. Das Fleisch klopfte man auf Holzstöcken mit Schlegeln weich. Danach hackte man das Brät mit Wiegemessern. Die Masse spritzte man dann mit einer großen Handspritze in die gereinigten Tierdärme. Das Ganze wurde meist intensiv geräuchert. Typischerweise hatte diese Art von Würsten eine leicht viereckige Form. Das kam daher, weil man sie nach dem Räuchern in Kisten stapelte.
Johann erzeugte in der ersten Zeit in Wien Würste wie er es in Frankfurt gelernt hatte. Doch die rustikale, salzige und sehr rauchige Ware fand bei den Wienern keinen großen Anklang. Deshalb experimentierte Johann an einem neuen Rezept. Da es in Wien keinerlei Auflagen betreffend Verwendung und Mischung von Fleischsorten für Würste gab, mischte er Schweine- und Rindfleisch und erzeugte daraus ein feines Brät. Das Fleisch befreite er dazu vollkommen von Sehnen und hackte es, so fein wie nur möglich, intensiv mit dem Wiegemesser. Die Beigabe von Wasser machte das Ganze noch geschmeidiger. Diese Masse füllte Johann dann in Schaf-Saitlinge. Die langen Därme band er in kleine Stücke ab und drehte je 2 zu einem Paar zusammen. Johann selchte die Würstchen nur relativ kurze Zeit und kochte sie zum Abschluss noch. Die Darmhülle verlieh dem Produkt ein typisches Knacken beim Reinbeißen. Im Mai 1805 verkaufte er erstmals seine neueste Kreation. Mit den neuen „Lahner-Würstchen“ hatte Johann genau den Geschmack der Wiener getroffen. Johann nannte seine Wurst zum Andenken an seine Lehrjahre in Frankfurt „Frankfurter Würstchen“. Auf dem Firmenschild der Fleischselcherei konnte man lesen: „Johann G. Lahner Fleischselcherei – Alleinerzeuger der Original Wiener Frankfurter Würstel“.
Schon bald war die „Wiener Frankfurter-Wurst“ Stadtgespräch und wortwörtlich in aller Munde. Die Spezialität aus Rind- und Schweinefleisch erfreute sich in allen Gesellschaftskreisen großer Beliebtheit. Auch wenn die Würstchen bald Nachahmer fanden, Feinschmecker bevorzugten die „Original-Lahner-Würste“, die auch „Champagner unter den Würsten“ genannt wurden. Ein großer Abnehmer der Fleischerei Lahner war das Casino Zögernitz, das im Volksmund den Spitznamen „Würstelburg“ erhielt. Dort konnte man gelegentlich auch die Familie Lahner gemeinsam mit dem Walzerkomponisten Josef Lanner antreffen, mit dem sie befreundet waren. Auch Lahner Vater und Sohn waren ganz gute Musiker. Die Wiener hatten Lahner und Lanner ins Herz geschlossen und kommentierten das folgendermaßen: „Der Lanner ist für´s Herz und der Lahner für den Magen“.
Jeder in Wien liebte Lahners „Frankfurter“. Johann durfte seine Wurstkreation sogar in der Hofburg bei einer Verkostung Kaiser Franz I./II. präsentieren. Nachdem die heißen Würstel serviert wurden, fragte der Kaiser , wie man denn diese Speise zu essen pflege. Darauf antwortete Lahner mit einer tiefen Verbeugung: „Mit der Hand, Hoheit! Mit der Hand!“ Bald schon belieferte Lahner täglich das Kaiserhaus mit seinen Würsten. Vor allem bei Hofjagden waren die „Frankfurter“ ein beliebter Imbiss.
Der Wiener Kongress in den Jahren 1814/1815 machte die beliebten „Lahner-Frankfurter-Würstel“ über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Die ausländischen Gäste wollten aber auch zu Hause ihre „Wiener Würstchen“ nicht missen. Und so wurde die Spezialität bald in vielen Ländern produziert. In allen möglichen Ländern nannte man sie nach ihrem Ursprungsland "Wiener Würstchen". Nur in Wien bzw. Österreich blieben sie die "Frankfurter".
Später genoss angeblich auch Kaiser Franz Joseph die Würstchen gerne zum Gabelfrühstück. Aber auch andere bekannte Persönlichkeiten stärkten sich regelmäßig mit „Lahners Frankfurtern“. Grillparzer, Nestroy, Schubert, Strauß Vater und noch viele andere gönnten sich gerne ein Paar „Frankfurter“ zwischendurch. Adalbert Stifter ließ sich von einem Freund aus Wien die Ware nach Linz schicken. Das ging allerdings nur bei entsprechend niedrigen Temperaturen, da die Würstchen damals ohne Kühlung noch leicht verderbliche Ware waren.
1842 startete die Produktion der „Wiener Würstchen“ in Mailand. 1843 erwarb Lahner das Bürgerrecht von Wien. Mit seiner Fleischselcherei brachte er es zu einem ansehnlichen Vermögen und besaß ein eigenes Haus in Altlerchenfeld Nr. 88 (heute Ecke Lerchenfelderstraße / Blindengasse).
Nachkommen und neue Wurstkreationen