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Carl August Schember (1838 - 1917)

die Waagen-Spezialisten

Conrad Schember (1811-1891)

Conrad Schember kam am 24. September 1811 in Helsa bei Kassel zur Welt. Er war der Sohn einer protestantischen Pastorenfamilie. 

 

Nachdem er das Schlosserhandwerk erlernt hatte, wanderte er 1936 nach Wien aus. Hier war er in der ersten österreichischen Brückenwaagenfabrik von  Rollé und Schwilgué als Maschinenarbeiter tätig.

 

1838 wechselte er in die Werkstätte der neu gegründeten Kaiser-Ferdinand-Nordbahn. Diese schickte ihn nach Seraing in die weltberühmte Maschinenfabrik John Cockerills, um Lokomotivbau zu erlernen. Nach seiner Rückkehr wurde er als Monteur und Lokomotivführer eingesetzt. Conrad Schember war einer der ersten heimischen Lokomotivführer Österreichs. Später war er als Werk- bzw. Oberwerkführer und Ausbildner der Nordbahn an verschiedenen Orten beschäftigt (Pardubitz, Böhmen-Trübau, Prag). 1850 wurde er in den Staatsdienst übernommen. Im selben Jahr schloss er mit dem Brückenwaagen-Fabrikanten Louis Simon einen Gesellschaftsvertrag. 1852 machte er sich schließlich mit einer kleinen Werkstätte zur Erzeugung von Brückenwaagen selbständig. Der Betrieb befand sich in der Jägerzeile  im 2. Bezirk (heutige Praterstraße 38).

 

Familie 

Conrad Schember war verheiratet mit Theresia Schember (1812-1893). Sie entstammte dem alten schwäbischen Adelsgeschlecht Freyberger von Freyberg. Aus der Ehe gingen angeblich 4 Söhne hervor, wobei nur 3 namentlich bekannt sind:

  • Carl August (1838 - 1917)
  • Ludwig (1839 – 1886) 
  • Albert (1845 – 1911) 

C.Schember & Söhne 

Conrad Schember hatte kein großes Kapital zur Verfügung, daher musste er sein Geschäft mit  bescheidensten Mitteln und nur 3 Hilfsarbeitern starten. 1853 erhielt er von der Nordbahn den ersten Auftrag für die Herstellung einer Waggonwaage. Schon bald folgten Aufträge anderer Eisenbahngesellschaften. 1862 bezog Conrad Schember neue Werkshallen in der Kleinen Stadtgutgasse 3. 1857 lieferte das Unternehmen bereits transportable und stabile Brückenwaagen verschiedenster Art. Der Betrieb florierte und Conrad Schember ließ sich schon bald einige seiner Erzeugnisse patentieren. Aufgrund des großen Erfolges war eine Expansion erforderlich. Seine Söhne, die bereits im Unternehmen mitgearbeitet hatten, stiegen als Gesellschafter ein und so wurde das Unternehmen 1872 in die OHG „C. Schember & Söhne“ umgewandelt. Das Unternehmen übersiedelte in die Untere Weißbergerstraße 8-10. Der Produktionsbetrieb nutzte dort bereits den Dampfbetrieb und war für die Anforderungen der damaligen Zeit mit der modernsten Technik ausgestattet. Die erweiterten Werkstätten und die Verwendung von Spezialmaschinen ermöglichten nun die Erzeugung von Brückenwaagen von besonderer Größe und Tragfähigkeit. Die Firma stellte daneben auch kleinere Präzisions- und Handwaagen her. 1875 entstand in der Fabrik eine eigene mechanische Werkstätte für die Erzeugung von Präzisionsinstrumenten

Die Betriebsstätten im Laufe der Zeit: Bild links: Jägerzeile, Mitte: Kl. Stadtgutgasse, rechts: Weissgerberlände

Patente

 Um 1880 besaß das Unternehmen 14 Patente. Um 1900 waren bereits über 40 Produkte eingetragen. Zwei Erfindungen von Conrad Schember erregten in den eisenbahntechnischen Kreisen des Kontinents besonders großes Aufsehen: Die Lokomotiv-Brückenwaage mit einer Zentral-Auflösung und die Waggon-Brückenwaage ohne Gleisunterbrechung. 

  • Die Lokomotivwaage ermittelte die Belastung eines jeden einzelnen Rades und glich Gewichtsdifferenzen aus. Dies brachte einen gleichmäßigen und ruhigen Gang der Lokomotive und bewahrte sie auch bei scharfen Kurven vor Entgleisungen.  Deshalb war für jedes Rad eine separate Waage erforderlich. Die Anzahl dieser Waagen hing von der Konstruktion, beziehungsweise dem Typ der Lokomotive ab. 
  • Die Waggon-Brückenwaage ohne Gleisunterbrechung brachte dem Unternehmen besonders viel Erfolg ein. Brauchte man früher kostspielige Nebengleise für eine Waggon-Brückenwaage, so war diese Konstruktion vollkommen getrennt und unabhängig von der Gleisanlage. Die Waage lag zwischen dem Gleis. Damit konnte sie mit allen Fahrbetriebsmitteln, egal ob mit Last- oder Eilzug, in beliebiger Geschwindigkeit befahren werden. Diese Waagentype wurde nicht nur in der österreichisch-ungarischen Monarchie, sondern auch in allen anderen europäischen Ländern zum Standard erhoben.

Weitere Neuerungen aus der Produktion von Schember waren z.B. das Laufgewichtssystem mit Registriereinrichtung, automatische Waagen, Präzisionsinstrumente für Laboratorien, Spinnereien, Webereien, Papierfabriken, Eisenwerke und Maschinenfabriken. Aber auch die neuartigen Goldwaagen zum Wiegen von Goldbarren und Goldmünzen stammten aus der Werkstatt von Schember. Sie wurden u.a. in der Österreichisch-Ungarischen Bank in Wien und Budapest verwendet.

 

Grab Familie Conrad Schember

Auf Wunsch der königlich ungarischen Regierung errichtete die Firma im Jahre 1878 in Budapest eine vollständig unabhängige Schwesterfabrik.  Diese leitete  Conrads Sohn - Albert Schember

 

Conrad Schember beteiligte sich schon in den 1860er Jahren an Ausstellungen. Für seine Leistungen auf der Weltausstellung in Paris 1867 wurde er von Kaiser Franz Joseph I. ausgezeichnet. Conrad Schember erhielt das goldene Verdienstkreuz mit der Krone (1866) und als Ritter des Franz-Joseph-Ordens 1890 das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens

 

letzte Ruhestätte

1883 schied Conrad Schember aus seinem Unternehmen aus und übergab es an seine Söhne. Er starb am 1.2.1891 in seiner Wohnung in der Kleinen Stadtgutgasse. Am 3.2.1891 wurde er in der Familiengruft am Zentralfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Das Grab befindet sich in der Gruppe 41B/G1/20, nahe des Waldfriedhofs und ist vom Tor 3 aus gut zu erreichen.

 

Carl August Schember (1838-1917)

Carl August Schember (1838-1917)

Nach dem Ausscheiden des Vaters aus dem Unternehmen führte Carl August Schember gemeinsam mit seinen Brüdern den Betrieb weiter.

 

Carl August Schember war in erster Ehe mit Elisabeth Fleischer verheiratet. 1882 heiratete er die aus Znaim stammende Eleonora Anger (1851-1934). 1891 erhielt er das Bürgerrecht der Stadt Wien. Ein Jahr später wurde ihm der Titel "kaiserlicher Rat" verliehen.

 

1887/88 wurden neue Fabriksanlagen in Wien-Atzgersdorf errichtet. Das Areal umfasste nicht nur den Fertigungsbetrieb, sondern auch einen Kanzleipavillon und ein Wohnhaus. Im 2. Weltkrieg wurde aber fast alles zerstört. Weiters gehörten zum Unternehmen auch Zweigniederlassungen in der Akademiestraße und in der Maximilianstraße im 1. Bezirk.

 

Im Mai 1888 fand anlässlich des 40-jährigen Thronjubiläums von Kaiser Franz Josef die große "Jubiläums-Gewerbe-Ausstellung" im Prater statt. Dort wurden die neuesten Erzeugnisse der österreichischen Industrie- und Gewerbeproduktion präsentiert. C.Schember & Söhne hatte sogar einen eigenen Pavillon nahe der Rotunde. Dort wurde erstmals eine "automatische Personenwaage mit Münzeinwurf" vorgestellt. Bald schon fand man solche Waagen überall an öffentlichen Plätzen in Wien. C.Schember & Söhne wurde zum "k.k. Hoflieferanten" ernannt. Auch vom König von Serbien erhielt die Firma den Titel "kgl. serbischer Hoflieferant" zuerkannt.

 

1908 ließ Carl August Schember das nach ihm benannte "Karlwerk" in der Gatterederstraße im 23. Bezirk erbauen.  Architekt des schlichten Stahlbetonbaus war Leopold Bauer, ein Schüler Otto Wagners.

 

1910 zählte Carl August Schember zu den reichsten Wienern. Er wohnte mit seiner Familie in der Gatterederstraße. Er führte ein sehr zurückgezogenes Leben und mied die Öffentlichkeit.

Werbung C.Schember & Söhne, Wien

Im Feber 1917 wurde die offene Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Anteile wurden zum größten Teil von den bisherigen Firmeninhabern übernommen (Carl August, Ludwig, Kornelius = ein Enkel von Conrad und Jakob Schruf = Schwiegersohn von Albert). Das Unternehmen beschäftigte zu der Zeit ca. 600 Mitarbeiter und hatte neben der Produktionsstätte in Atzgersdorf noch Zweigniederlassungen in Budapest, Triest, Prag und Reichenberg.

 

Carl August Schember starb am 29.03.1917 an Herzversagen. Seine letzte Ruhestätte befindet sich am Friedhof in Atzgersdorf (Gruppe 5/3/1). Seine Frau Eleonore (Lori) folgte ihm 17 Jahre später am 1. Juni 1934.

 

1954 wurde die Schemberstraße im 23. Bezirk nach Carl August Schember benannt.

 

Während des Krieges waren, wie in vielen anderen Wiener Betrieben, auch in der Brückenwaagenfabrik in Atzgersdorf sowjetische Kriegsgefangene eingesetzt. Das Arbeitskommando trug die Bezeichnung A 745 GW. Das Unternehmen war auf Kriegsproduktion umgestellt worden und stellte Panzerkanonen und anderen Wehrmachtsbedarf her. Am 7.3.1942 starb in der Fabrik ein sowjetischer Gefangener. Aufgrund des Gestapo-Berichts erhielten die Kriegsgefangenen scheinbar von ihren österreichischen "Arbeitskollegen" Unterstützung und Hilfe. Sie wurden mit Wäsche, Lebensmittel und Sonstigem ausgestattet.

 

Trotz der Wirren der beiden Weltkriege konnte das Unternehmen weiterbestehen. 1952 verlieh man der Maschinenfabrik die "Staatliche Auszeichnung".

 

1962 begann die Zusammenarbeit mit dem englischen Berkel-Konzern. Später wurde das Unternehmen vom Avery Weigh-Tronix-Konzern übernommen und die Schember GmbH als Tochter weitergeführt. Schember war für den Vertrieb und Service seiner Erzeugnisse in Österreich, Deutschland, Schweiz und einigen Oststaaten verantwortlich. Außerdem war das Tochterunternehmen für Eichungen berechtigt. 2011 entschied die Konzernleitung im Rahmen einer strukturellen Neuausrichtung, den von Schember bisher abgedeckten Markt selbst zu übernehmen bzw. über lokale Partner abzuwickeln. Infolgedessen wurde die Schember GmbH liquidiert.

 

Die Firma C. Schember & Söhne dürfte die einzige Spezialfabrik des Kontinents gewesen sein, welche Waagen aller Größen, von der kleinsten Präzisionswaage bis zur Lokomotivwaage schwersten Kalibers erzeugte.


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Kommentare: 1
  • #1

    Walter Schreinmoser (Dienstag, 05 März 2024 08:08)

    Eine beeindruckende Geschichte. Sie erinnert mich an Carl Grundmann, erster deutschsprachiger Lokführer in der Donaumonarchie und ebenfalls Gründer eines erfolgreichen frühindustriellen Unternehmens. Ich freue mich schon auf Ihre neuen Berichte, Frau Kiradi, alles Gute weiterhin.