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Margarethe Manhardt (1906-1926)

Herkunft und Jugend 

Margarethe Manhardt wurde 1906 in Plabutsch bei Kapfenberg geboren. Ihre Eltern waren der Sägewerksmeister Gabriel Manhardt (†1913)  und seine Frau Maria (*1860). Margarethe hatte noch einige ältere Geschwister:

  • Maria ⚭ Stephan Rosenmaier 
  • Aloisia ⚭ Johann Stadlbauer
  • Paula ⚭ Stingl
  • eine weitere Schwester (†1913) 

1913 starb Margarethes Vater und im gleichen Jahr auch noch eine Schwester Margarethes. Nach diesen tragischen Ereignissen nahm die älteste Tochter des Hauses die 7jährige Margarethe und ihre Mutter bei sich auf. Marias Ehemann, Stephan Rosenmaier, war Bergarbeiter. Margarethe wurde von allen Gretl gerufen. Sie entwickelte sich bald zum Sonnenschein des Hauses. Stets brachte sie Licht und Frohsinn in die bescheidene Stube. Sie besuchte die Volksschule in Kindberg. Auch dort war sie wegen ihres fröhlichen Wesens sowohl bei den Lehrern, als auch bei ihren Mitschülern sehr beliebt.  

 

Die Kriegsjahre des 1. WK brachten auch für die Familie Margarethes Not und Kummer. Der Bräutigam ihrer Schwester Paula musste in den Kriegsdienst einrücken. Die Hochzeit fand dann erst 1917 als Kriegstrauung statt. In diesem Jahr übersiedelten Margarethe und ihre Mutter zur frisch vermählten Schwester Paula Stingl. Vier Jahre wohnten sie dort. Danach zogen sie zu Margarethes Schwester Aloisia und ihrem Ehemann Johann Stadlbauer nach Parschlug

Margarethe Manhardt

Als Margarethe 14 Jahre alt war, wollte sie ihrer Familie nicht mehr zur Last fallen. Sie nahm bei der Familie Brittl einen Dienstposten als Kindermädchen an. Herr Brittl war der Stationschef der Eisenbahn. Obwohl sie selbst fast noch ein Kind war, betreute Margarethe den Nachwuchs der Familie mit beinahe mütterlicher Umsicht und Zärtlichkeit. Später kümmerte sie sich um die Kinder der Familie Knauer in Ettmissl bei Aflenz. Die Schwester von Herrn Knauer war die Ehefrau Peter Roseggers. Margarethe, die gerne Bücher las, bekam von der Familie Knauer sämtliche Werke des Schriftstellers und Dichters zur Verfügung gestellt.

Gertrude und Georg Littner

Am 8. Oktober 1925 trat sie ihren nächsten Dienstposten als Hausgehilfin bei der jüdischen Familie Littner in Wien an. Siegfried Littner betrieb eine Kürschnerei. Seine Pelz-Moden-Werkstätte befand sich in der Gumpendorferstraße 55. Die Familie wohnte in der Vereinsgasse 8 im 2. Bezirk. Dort war Margarethe für den Haushalt und die Versorgung der beiden Kinder Gertrude und Georg zuständig. Ihre Dienstgeber waren von Margarethe sehr angetan und schlossen sie schnell ins Herz. 

 

Margarethe stand auch in ständigem Briefkontakt mit ihrer Familie. 1921  hatte sie den Eisenbahner Heinrich Mathe aus Kapfenberg kennengelernt. Seither waren die beiden ein Paar. 1926 feierten sie Verlobung. Die Hochzeit war bereits für das Jahr 1927 geplant. Dann wollte Margarethe zu ihrem Bräutigam ziehen und eine eigene kleine Familie gründen. Ihrer Dienstgeberin erzählte sie oft von ihren Plänen. Sie wollte auch die beiden Kinder der Familie Littner dann möglichst oft zu sich aufs Land holen.  

 

Zu Pfingsten kam das jüngste Kind ihrer Schwester Aloisia zur Welt. Margarethe fungierte als Taufpatin des kleinen Mädchens, das auch ihren Namen erhielt. Das machte Margarethe mächtig stolz.   

 

Das Unglück

der Unfall am 3.11.1926 bei dem Margarethe Manhardt starb, sie aber 2 Kinder rettete

Am 3. November 1926 kurz nach Mittag verließ Margarethe zusammen mit den beiden Kindern das Wohnhaus in der Vereinsgasse zu einem Spaziergang. Die eineinhalb-jährige Gertrude schob sie im Kinderwagen vor sich her und den 3jährigen Georg führte sie an der Hand. So gingen sie auf der Ausstellungsstraße Richtung Prater. Als Margarethe an der Ecke Wolfgang-Schmälzl-Gasse die Straße überqueren wollte, übersah sie einen herannahenden Bierwagen des Wiener Brauhauses. Dieser bog von der Ausstellungsstraße in die Wolfgang-Schmälzl-Gasse ein. Der Kutscher Franz Schmidt konnte den Passanten nicht mehr ausweichen. Margarethe wurde von der Deichsel des Wagens erfasst und geriet so zwischen den Bierwagen und die eingespannten Pferde. Geistesgegenwärtig schubste sie Georg von sich Richtung Gehsteig. Auch den Kinderwagen mit Gertrude stieß sich weg. Georg erlitt bei seinem Sturz nur kleine Abschürfungen und kam mit dem Schrecken davon. Der Kinderwagen stürzte um und Gertrude fiel auf die Fahrbahn. Dabei zog sie sich einige Verletzungen zu, die allerdings nicht gefährlich waren. Sie wurde ins Leopoldstädter Krankenhaus gebracht. Margarethe hingegen geriet unter die Pferde und die Räder des Wagens. Dabei erlitt sie mehrere Rippenbrüche und innere Verletzungen. Die Rettungsgesellschaft wollte die bereits bewusstlose Margarethe so schnell wie möglich ins Spital bringen. Auf dem Weg dorthin erlag sie allerdings ihren Verletzungen. 

 

Böse Vorahnungen 

Als Margarethes Angehörige in Wien eintrafen, berichteten sie davon, dass Margarethe in der letzten Zeit oft von bösen Vorahnungen geplagt wurde. Dies schlug sich auch in ihrem letzten Brief an ihre Mutter nieder. Obwohl es Margarethe in Wien gut ging und sie ihren Beruf und die Familie ihres Dienstgebers liebte, schrieb sie: „Es geht mir gut, aber es wäre besser, wenn ich Wien nie gesehen hätte!" Auch eine Schwester Margarethes erzählte, dass sie in der Nacht vor dem Unglück einen beängstigenden Traum gehabt hätte. Darin ging Margarethe mit den zwei Kindern der Familie Littner über ein Feld, auf dem außergewöhnlich hohe Ähren standen. Ihre Schwester ermahnte sie, das Getreide nicht zu zertreten. Aber Margarethe ging unbeirrt weiter und verschwand im wogenden Feld. Als sich ihre Schwester umblickte, sah sie plötzlich einen großen schwarzen Kater. Nach dem Erwachen erzählte die Frau ihrem Ehemann von dem schrecklichen Traum. Obwohl er vorerst versuchte seine verschreckte Frau zu beruhigen, gab der Mann später zu, dass ihm die Geschichte mit dem schwarzen Kater doch etwas Sorge bereitet hätte.  

  

Reaktionen

Die Presse berichtete in unzähligen Beiträgen über das tragische Ereignis. Unfälle standen damals zwar an der Tagesordnung, aber kein anderer Vorfall löste eine derart große Resonanz in der Bevölkerung aus. Dem Kutscher konnte kein Verschulden zugeschrieben werden. Margarethe war Opfer ihrer eigenen Unachtsamkeit geworden. Dennoch klagte sie niemand an. Ganz im Gegenteil. Sie wurde als Heldin gefeiert. Im Angesicht des Todes hatte sie noch so viel Pflicht- und Verantwortungsgefühl gehabt, dass sie ihre ganze Energie nur darauf verwendete, die ihr anvertrauten Kinder zu retten. Die Illustrierte Kronen-Zeitung brachte mehrere Artikel über die große Heldentat der jungen Hausgehilfin. Bei der Familie Littner, als auch in der Redaktion der Zeitung meldeten sich viele Personen, die ihre Trauer um den Tod der jungen Margarethe zum Ausdruck brachten. Bereits am Tag nach ihrem Tod wurde der Ruf nach einem Ehrengrab für das arme Geschöpf laut. Die Illustrierte Kronen-Zeitung nahm die Idee auf und rief zu einer Sammlung auf. Die arme Hausgehilfin, die ihr Leben für 2 Kinder geopfert hatte, sollte ein ordentliches Begräbnis, ein Ehrengrab und ein würdiges Grabmal bekommen. Vor allem Vertreterinnen des Berufsstandes der Hausgehilfinnen, aber auch Menschen aus allen anderen Bevölkerungsschichten beteiligten sich an der Spendenaktion. Die Gemeinde Wien unter dem damaligen Bürgermeister Karl Seitz verfügte gemeinsam mit dem Stadtrat Prof. Julius Tandler, dass Margarethe am Zentralfriedhof auf Friedhofsdauer ein Grab erhalten sollte. Die Kosten dafür und für die Instandhaltung wollte die Gemeinde übernehmen.   

 

Begräbnis und letzte Ruhestätte 

Aufbahrung von Margarethe Manhardt 11/1926

Margarethes Leichnam wurde vorerst in der Leichenkammer des AKH verwahrt. Das Begräbnis wurde von der Gemeinde Wien finanziert und von der Wiener Städtischen Leichenbestattung durchgeführt. Am 7. November brachte man Margarethes sterbliche Hülle in die Aufbahrungshalle der Dreifaltigkeitskirche in der Schlösselgasse.  Dort konnte sie die Bevölkerung den ganzen Tag über besichtigen. Und es war tatsächlich eine Besichtigung. Tote wurden damals nämlich noch im offenen Sarg aufgebahrt.  Am Tag darauf erfolgte die Überführung des Sarges auf den Zentralfriedhof. In der Leichenhalle bei Tor 2 wurde Margarethe erneut aufgebahrt. Trauergäste konnten sich bis 15 Uhr hier von ihr verabschieden. Im Anschluss war die Trauerfeier geplant. Hausfrauen wurden öffentlich gebeten, ihren Hausangestellten einige Stunden freizugeben, damit sie an der Leichenfeier teilnehmen können. 

 

Und tatsächlich kamen mehr Trauernde und Schaulustige auf den Zentralfriedhof als zu Allerseelen. Obwohl die Straßenbahndirektion mit einem großen Zustrom gerechnet hatte und zusätzliche Garnituren zum Friedhof bereithielt, konnte sie den großen Zustrom nicht bewältigen. Die Presse berichtete von mehreren 10.000 Menschen, die der Hausgehilfin das letzte Geleit gaben. Sie kamen nicht nur aus Wien, sondern aus ganz Österreich um von Margarethe Abschied zu nehmen und ihre Anerkennung zum Ausdruck zu bringen. Ab 11 Uhr vormittags drängten sich die Menschenmassen in die Wagen des 71ers. Nach und nach wurden weitere Züge eingeschoben und das dienstfreie Personal aktiviert. Dennoch mussten viele Trauergäste den Weg zum Friedhof zu Fuß oder mit einem Taxi zurücklegen. Auch die Polizei verstärkte stündlich ihre Präsenz. Der gesamte Ablauf der Totenfeier verlief aber ruhig und ohne bedeutungsvolle Zwischenfälle.  

 

Margarethes Leichnam war von Kerzen, unzähligen Kränzen und Bukettes umgeben. Der Kranz der Organisation der Hausgehilfinnen trug eine Schleife mit der Aufschrift „Dem Opfer treuer Pflichterfüllung". Die beiden Kinder der Familie Littner legten ein weißes Blumengebinde vor dem Sarg nieder. Darauf war zu lesen: „Unserer Retterin - Trude und Georg". Auch der von der Kronen-Zeitung gestiftete Kranz würdigte die Tote mit den Worten „Der braven Hausgehilfin". 

Begräbnis von Margarethe Manhardt

Da Margarethe evangelisch gewesen war, leitete Vikar Heinz Schwab die Leichenfeier. Um 15 Uhr nahm er unter lautem Schluchzen und Weinen der Angehörigen die erste Einsegnung vor. Ein Doppelquartett des Staatsopernchores sang das Trauerlied „Der bleiche Todesengel" von Anton Emil Titl. Danach trugen die Sargträger, flankiert von 6 Fackelträgern in der sogenannten „Silber-Galauniform“, den Sarg aus der Aufbahrungshalle und brachten ihn zum Grab. Dieses befindet sich in der Gruppe 133 in der Nähe von Tor 3. Den langen Weg dorthin säumten Menschenmassen. Als der Sarg Margarethes ins Grab hinabgelassen wurde, leuchtete plötzlich die Sonne hinter den Wolken hervor, so als würde sie die Tote segnen wollen. 

Begräbnis von Margarethe Manhardt

Nun folgten einige Grabreden. Zuerst sprach der evangelische Vikar, dann Stadtrat Karl Richter als Vertreter des Bürgermeisters. In seiner Rede hieß es: „Margarete Manhardt, Du hast anderen gedient in einer Weise, wie sie menschlicher und mütterlicher nicht gedacht werden kann. Du dachtest zuerst an die anderen und dann erst an Dich. Die Gemeinde Wien wird Dir ewig ein ehrendes Andenken bewahren. Solange dieser Friedhof bestehen wird, solange wirst Du hier Deine Ruhe haben können. Die Gemeinde wird stets Dein Grab erhalten, sie weiß deinen Opfermut zu würdigen. Deinen Angehörigen sei die Wertschätzung, die Dir zu Teil wird, ein Trost in ihrem Kummer.“ Im Anschluss an dieses Versprechen hielten noch einige andere Personen eine Rede. Sie alle würdigten den Heldentod der Verblichenen. Zum Abschluss bedeckten die Anwesenden das offene Grab mit ihren mitgebrachten Blumenspenden. 

 

Obwohl die Totenfeier um 16.30 Uhr endete, dauerte es noch Stunden bis die letzten Trauergäste vom Friedhof wieder abtransportiert werden konnten. Laut einer Stellungnahme der Städtischen Leichenbestattung konnte man sich an kein anderes Begräbnis erinnern, welches derartige Menschenmassen auf dem Zentralfriedhof versammelt hatte. Bei der Beisetzung von Josef Mohapel am 1.8.1925 hatten einige tausende Personen teilgenommen. Bei Margarethes Beerdigung waren aber mehr als zehnmal so viel Menschen anwesend.   

Grab von Margarethe Manhardt am Wiener Zentralfriedhof

Aus den Spenden der Bevölkerung wurde ein Grabstein aus Carraramarmor angefertigt. Die Inschrift lautet: „Eine Heldin aus dem Volke ruhtet hier MARGARETHE MANHARDT Eine brave Hausgehilfin. Sie gab ihr Leben hin und rettete die ihr anvertrauten Kinder. In des Lebens Blüte fand sie 20jährig den Heldentod am 3. November 1926. Errichtet von Lesern der Kronen-Zeitung."

 

Das Grab befindet sich in der Gruppe 133/2/12. Das liegt auf halber Höhe zwischen Tor 3 und Tor 9, oberhalb des evangelischen bzw. neuen jüdischen Friedhofs. Trotz des Versprechens der Gemeinde wurde das Grab von der Gemeinde nicht in Stand gehalten. Es trägt vielmehr einen Hinweis auf bauliche Mängel und dass das Benützungsrecht abgelaufen sei. Die Blumen stammen scheinbar von Besuchern, die das Grab noch immer liebevoll pflegen. Vielleicht schafft es die Bevölkerung ja auch heute wieder dieses Grab und damit das Andenken an ein junges Mädchen, das ihr Leben in der Ausübung ihres Berufes verloren hat, zu retten. Es wäre doch schade, wenn die Bemühungen und Spenden von 1926 nach nicht einmal 100 Jahren zunichte gemacht würden und das Grab aufgelöst würde. Ich rufe daher dazu auf, die Gemeinde an ihr Versprechen zu erinnern. Ich hoffe doch, dass es auch heute noch gültig ist und das Grab tatsächlich auf Friedhofsdauer an Margarethe erinnert.  

 

Denkmal

Die Zeitung Kikeriki setzte Margarethe ein Denkmal in Form eines veröffentlichen Gedichtes: "Das Lied vom braven Mädchen. Zum Gedächtnis der Margarete Manhardt."

Hoch wie das Lied vom bravern Mann,

Wie Orgelton und Glockenklang,

So klinge auch das Lied fortan.

Und fort soll leben im Gesang

Die tapfere, die brave Maid,

Die anderen ihr Leben weiht".

Ein Anto rast' die Straße her;

Margarete mit zwei Kindern ging,

Nicht retten konnt' sie alle mehr.

Da achtet' sie sich selbst gering.

Rasch stieß sie weg die Kinder, bot

Die eigne Brust für sie dem Tod.

Und als begraben ward die Maid,

Da gab ganz Wien ihr das Geleit.

Ganz Wien, das neue rote Wien,

Was zog es zu der Toten hin?

Daß sie 'ne treue Magd fürwahr

Und keine „Unzufried'ne war!

 

Die Spenden für Margarethes Grabmal flossen derart reichlich, dass nicht nur ihr Grabstein, sondern auch noch ein Denkmal errichtet werden konnte. Dazu wurde von der Kronen-Zeitung ein Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem sich alle Bildhauer Österreichs bewerben konnten. Im Oktober 1927 entschied sich eine Jury aus 37 eingereichten Entwürfen für jenen des Bildhauers Josef Riedl. Er trägt den Titel „Tugend“. Ausgeführt wurde das ca. 2m hohe Denkmal in Margareter-Marmor. Der Preis wurde mit 3.500 Schilling beziffert. Aber auch einige andere Einreichungen wurden mit Ehrenpreisen bedacht. Alle Vorschläge standen im Künstlerhaus zur öffentlichen Besichtigung ausgestellt. 

 

Nach der Fertigstellung wurde das Denkmal für Margarethe Manhardt am 12. Oktober 1929 auf dem Sterneckplatz (heute Max-Winter-Platz) im 2. Bezirk feierlich enthüllt. Das Denkmal zeigt eine knieende Frauengestalt, die die "Tugend" darstellt. Links und rechts von ihr befinden sich je eine Kindergestalt. Sie stehen für die geretteten Geschwister Georg und Gertrude.  

 

Während der NS-Herrschaft wurde die Plastik entfernt, da die geretteten Kinder aus einer jüdischen Familie stammten. Außerdem wurde die Gartenanlage zu Beginn des Zweiten Weltkrieges eingeebnet und in einen Exerzierplatz für die militärischen Formationen der NSDAP umgewandelt. Im Sommer 1949 wurde der neue Max-Winter-Park für die Bevölkerung wieder freigegeben.  im März 1967 wurde eine Kopie des ursprünglichen Denkmals für Margarethe Manhardt hier wieder aufgestellt. Und hier steht es noch heute. 

Ende gut - alles gut

Mich hat das Grab derart beschäftigt, dass ich bei der Gemeinde Wien angefragt habe, warum das Grab aufgelassen wurde, wo es doch scheinbar ein Ehrengrab gewesen ist. Ich habe gebeten das Grab doch wieder in die Obhut der Gemeinde zu übernehmen und das ursprüngliche Versprechen somit einzulösen. Ich habe auch die Kronen-Zeitung um ihre Unterstützung gebeten. Ich dachte die Zeitung und ihre Leser haben sich schon einmal für das Andenken von Margarethe Manhardt eingesetzt, vielleicht klappt es ja auch heute wieder. Mit Lukas Zimmer habe ich einen interessierten Journalisten gefunden, der auch einen entsprechenden Artikel in der Wien-Ausgabe der Kronen-Zeitung geschalten hat. Die Resonanz war groß. Viele Leser haben mich über meinen Blog kontaktiert und sich für meinen Einsatz bedankt. 

 

Wie sich herausstellte, hatte die Gemeinde die Obhut seinerzeit nur für 15 Jahre übernommen. Während der NS-Zeit wurde diese dann nicht mehr verlängert. Das Grabnutzungsrecht war demnach längst abgelaufen.

 

Und jetzt ist es amtlich: In einem E-Mail informierte mich die MA7 darüber, dass das Grab nun auf Friedhofsdauer in die Obhut der Gemeinde übernommen wird und als "historisches Grab" geführt wird. Zeitgleich erschien in der Kronen-Zeitung neuerlich ein ausführlicher Artikel über den positiven Ausgang der Initiative. Es freut mich, dass das Grab von Margarethe Manhardt nun auch weiterhin erhalten bleibt. Es soll auch die nächsten Generationen daran erinnern, dass selbstloses Handeln nicht nur Leben retten kann, sondern auch entsprechend gewürdigt wird.  

 

Was wurde aus der Familie Littner?

Die jüdische Familie Littner konnte ihr Leben in Wien nicht lange genießen. Mit dem "Anschluss" war ihr Leben nicht mehr sicher. Siegfried (*1892) und Toni Arzt sind mit ihren Kindern scheinbar in die Hintere Zollamtsstraße 17 gezogen oder vielleicht war dort auch eine "Sammelwohnung", in die sie verbracht wurden. Siegfried wurde als sogenannter "Schutz-Jude" am 26.Juni 1938 in Dachau inhaftiert. 

 

Als Schutzhäftlinge bezeichnete man jene Personen, die ohne richterliche Kontrolle, alleine durch polizeiliche Anordnung inhaftiert und festgehalten wurden. Ordnete die Gestapo „Schutzhaft“ an, hatten Rechtsanwälte auch keine Möglichkeit für ihre Mandanten etwas auszurichten. Es musste nicht einmal der Grund für die Verhaftung bekanntgegeben werden. Die Polizei bzw. die Verantwortlichen für die Führung der Konzentrationslager hatten unumschränkte Macht. 

 

Siegfrid war einer der ca. 5.000 „Aktionsjuden“, die im Zeitraum zwischen Mai und Juni 1938 inhaftiert wurden. Der Hintergrund dieser Aktion war folgender: Bei einer SA-Führertagung schlug der Wiener Gauleiter Odilo Globocnik vor, Hitler das Versprechen zu geben, Wien innerhalb von 2 Monaten von 200.000 Juden zu „säubern“. Dazu müsste man nur einige tausend Juden als abschreckendes Beispiel nach Dachau schicken. Alle übrigen würden dann aus Angst fluchtartig Wien verlassen. Gesagt – getan. Adolf Hitler selbst ordnete dann die Verhaftung von 25.000 bis 30.000 Juden an. Betroffen waren vorwiegend vermögende, gesunde, junge männliche Juden aus allen Bezirken Wiens. Die meisten Aktionsjuden, die das Konzentrationslager überlebt haben, wurden im Frühjahr 1939 wieder entlassen. 

 

Siegfried Littner wurde am 23.9.1938 von Dachau nach Buchenwald überstellt. Dort wurde er am 21. Feber 1939 entlassen.

 

Danach dürfte die Familie nach Amerika ausgereist sein. Tochter Gertrude (*1925) heiratete 1944 in New York Sam Silverman. Ihr Bruder Georg (1923-1971) starb am 13. April 1971 in New York.

Das Interesse in der Bevölkerung an der Erhaltung des Grabes ist sehr groß. Daher kam auch gleich ein Aufschrei, als der Grabstein plötzlich umgelegt war. Laut den zuständigen Stellen ist dies aber nur eine Maßnahme im Rahmen der Instandsetzungs- und Renovierungsarbeiten des Grabes. Hoffen wir also dass das Grab bald in neuem Glanz erstrahlen wird.


Bildquellen:

  • Margarethe Manhardt und die Kinder Littner: Illustrierte Kronen Zeitung v. 5.11.1926, Seite 3: Anno ONB
  • Zeichnung über den Unfall: Illustrierte Kronen Zeitung v. 7.11.1926, Seite 1: Anno ONB
  • Zeichnung über die Aufbahrung: Illustrierte Kronen Zeitung v. 9.11.1926, Seite 1: Anno ONB
  • Zeichnung über Begräbnis: Illustrierte Kronen Zeitung v. 12.11.1926, Seite 3: Anno ONB
  • Zeichnung über Verabschiedung: Illustrierte Kronen Zeitung v. 10.11.1926, Seite 1: Anno ONB
  • Grabmal: © DI Gerald Edelmann
  • Zeichnung Denkmal: Welt Blatt v. 16.10.1929, Seite 1: Anno ONB
  • Bilder des Denkmals heute: © Karin Kiradi
  • Bilder v. Zeitungsausschnitten und Brief der MA7: © Karin Kiradi
  • Dokumente aus KZ Dachau und Buchenwald: Arolsen Archiv

Quellen:

  • "Der Tag" v. 4.11.1926, Seite 5: Anno ONB
  • "Neues Wiener Tagblatt" v. 4.11.1926, Seite 10: Anno ONB
  • "Neues Wiener Journal" v. 4.11.1926, Seite 9: Anno ONB
  • Kleine Volks-Zeitung v. 4.11.1926, Seite 5: Anno ONB
  • Illustrierte Kronen Zeitung v. 5.11.1926, Seite 3: Anno ONB
  • Wiener Morgenzeitung v. 6.11.1926, Seite 5: Anno ONB
  • Neues Wiener Journal v. 6.11.1926, Seite 9: Anno ONB
  • Illustrierte Kronen Zeitung v. 7.11.1926, Seiten 1- 4: Anno ONB
  • Illustrierte Kronen Zeitung v. 9.11.1926, Seiten 1-5: Anno ONB
  • Illustrierte Kronen Zeitung v. 10.11.1926, Seite 1-2: Anno ONB
  • Illustrierte Kronen Zeitung v. 12.11.1926, Seite 3: Anno ONB
  • Kikeriki v. 21.11.1926, Seite 3: Anno ONB
  • Illustrierte Kronen Zeitung v. 24.11.1926, Seite 8: Anno ONB
  • Illustrierte Kronen Zeitung v. 12.5.1927, Seite 4: Anno ONB
  • Blatt der Hausfrau, 1928-1930, Heft 10, Seite 16: Anno ONB
  • Arbeiterwille v. 13.10.1929, Seite 2, Anno ONB
  • Illustrierte Kronen Zeitung v. 13.10.1929, Seiten 9-11: Anno ONB
  • Kronen Zeitung v. 6.1.2023, Seiten 48-49
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Kommentare: 5
  • #1

    Othmar E.R. PUSCH sen. (Samstag, 10 Juni 2023 14:37)

    Spitze (wie immer) - glG/Othi

  • #2

    G. Steindl (Montag, 19 Juni 2023 05:31)

    Danke für deinen unermüdlichen Einsatz und deine Aufmerksamkeit. Leider zeigt sich hier auch wieder was Versprechen der Politik wert sind.

  • #3

    Amon werner (Donnerstag, 27 Juli 2023 10:16)

    Es wäre eine Schande, würde die Grabstelle dieses Vorbildes eines Menschen wie Margarethe Mannhardt nicht weiter erhalten. Es kann doch keine Kostenfrage für die Gemeinde Wien sein den Grabstein zu sanieren.

  • #4

    Gerald E. (Dienstag, 19 September 2023 20:06)

    Es freut mich, dass Dein beharrlicher Einsatz und Dein Einbeziehen der Krone erfolgreich waren - geradezu ein klassisches "win" auf allen Seiten (sowohl die Krone als auch die Gemeinde können sich in ein gutes Licht setzen, und die gute Sache selbst ist auch gesichert). Die Projektmanagement-Erfahrung macht's...

  • #5

    G.Steindl (Dienstag, 19 September 2023 21:28)

    Ich finde es erstaunlich dass das Grab „auf Betreiben vom Bürgermeister höchstpersönlich „ gerettet wurde. Es hätte dein Foto statt dem des Bürgermeisters in die Zeitung gehört. Das hast du super gemacht Karin.