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Carl Reisser (1815-1889)

Die Reissers waren in mehreren Generationen Apotheker. Carl Reisser betrieb dann auch eine chemische Fabrik. Er gilt als der Erfinder des Fliegen-Strips. Sein Geschäftspartner und Schwiegersohn war Viktor Alder.

 

Herkunft 

Carl Reissers Vater war Johann Reisser. Dieser wurde ca. 1775 in Pressburg (=Bratislava) geboren. Bevor er nach Wien kam, hatte er in St.Pölten eine Apotheke gepachtet. Ab 1836 betrieb er in der Hundsthurmer Gemeinde die Apotheke „Zum Heiligen Franziskus“.

 

Die scheinbar unendliche Geschichte dieser Apothekeneröffnung begann allerdings schon 1829.  Damals fasste die Herrschaft Hundsthurm den Beschluss, eine Apotheke zu eröffnen. Der Hundsthurmer Grund umfasste damals nicht mehr als 55 Häuser. Im Feber 1829 reichte man beim Gremium um die Genehmigung zur Errichtung der Apotheke ein. Das Ansuchen wurde allerdings abschlägig beantwortet. Dieser Meinung schloss sich einige Monate später auch die Regierung an, die ebenfalls kontaktiert worden war. Im November 1829 wurde dies in einem Dekret festgehalten. Doch die Herrschaft Hundsthurm wandte sich an die Hofkanzlei und bat um Rekurs. Dieser wurde im Juli 1830 zurückgewiesen. 1831 suchte dann Johann Reisser um die Befugnis zur Errichtung einer Apotheke auf dem Grund Hundsthurm an. Er war Erzeuger chemischer Produkte und früherer Pächter einer Apotheke in St.Pölten. Die Herrschaft Hundsthurm bewilligte im April 1832 sein Gesuch. Noch im selben Monat reichte das Gremium neuerlich einen Rekurs des Bescheides in der Landesstelle ein. Infolge dessen wurde die Apothekenbefugnis für Johann Reisser im Juni 1832 wieder aufgehoben. Doch die Herrschaft Hundsthurm gab nicht auf. Abermals bemühte sie sich um einen Rekurs in der Hofkanzlei. Und tatsächlich wurde daraufhin im Juni 1833 die Verleihung der Personalbefugnis an Johann Reisser genehmigt. Das Gremium versuchte dann, mit einem Majestätsgesuch die Apotheke zu verhindern. Dies gelang vorerst auch. Die Errichtung der Apotheke wurde untersagt. Doch dabei blieb es schlussendlich doch nicht. Im November 1835 revidierte die Hofkanzlei ihre Entscheidung und erlaubte Johann Reisser per Dekret die Errichtung der Apotheke. Diese wurde im Juni 1836 dann endgültig in Hundsthurm Nr.  118 (später 113 – heute Schönbrunnerstraße 107) eröffnet. Sie wurde „Apotheke Zum Heiligen Franziskus“ genannt. 

 

Johann Reisser betrieb neben seiner Apotheke aber auch noch einen pharmazeutisch-chemischen Betrieb. 1839 erhielt er die Bürgerrechte von Wien verliehen. 

 

Er hatte mindestens 3 Söhne die Chemiker bzw. Apotheker wurden:

  • Carl Reisser (1815-1889) ⚭ Carolina Backenroder 
  • Eduard Reisser ⚭ Katharina Dalberg
  • August Reisser ⚭ Franziska Geer  
Sterbeeintrag Johann Reisser 1854

Johann Reisser starb am 24. Oktober 1854 an Cholera. Er wurde am Hundsthurmer Friedhof beerdigt. 

 

Carl Reisser – der Apotheker

Nach dem Tod seines Vaters übernahm Carl die Leitung der Apotheke und des pharmazeutischen Betriebes. 1859 musste er für die Apotheke Konkurs anmelden. Ein langjähriger Mitarbeiter der Apotheke wurde vorerst als Provisor bestellt. Für die Konkursdauer übernahm Carls Bruder, August Reisser, die Pachtung der Apotheke bis 1863. August Reisser führte eine Apotheke in Oberdöbling. Er betrieb dort die Apotheke „Zum heiligen Josef“. Nach Ablauf des Pachtvertrages übergab Karl Reisser die Apotheke an den Apotheker Michael Zavaros. Nach mehreren Inhaberwechseln und einer Standortverlegung auf die Schönbrunnerstraße 109, existiert die Apotheke „Zum Heiligen Franziskus“ heute noch. 

 

Carl Reisser - der Chemiker und Erfinder

Carl Reisser gab zwar die Apotheke auf, aber seinen pharmazeutisch-chemischen Betrieb führte er weiter. Er forschte auch stets nach innovativen Produkten. Für seine Erfindungen erhielt er auch mehrere Privilegien. 1847 z.B. bekam er gemeinsam mit dem Vorstand des pathologischen Labors des AKH. Dr. Johann Florian Heller, ein Patent für einen sogenannten „Einatmungsapparat“. Es handelte sich dabei um ein Gerät, das für das Einatmen von Schwefel-Äther, Narkotika, ätherischen Ölen und ähnlichen Stoffen verwendet wurde. 

 

Carl Reisser erfand auch den Fliegen-Strip. Dazu trug er eine flüssige Masse auf Papier, Holz, Leinwand oder Metall auf. Fliegen wurden davon angelockt und schnell und sicher getötet. Im Gegensatz zu anderen Fliegenvernichtungsmitteln, die sich schon am Markt befanden, war dieses Produkt für den Menschen unschädlich. Karl Reisser bekam dafür 1855 ein Privilegium. In einer Weiterentwicklung wurde die Erfindung als "Fliegen-Vertilgungs-Papier" bekannt.

In der Literatur findet man einige Personen, die sich ebenfalls rühmten, Erfinder des Fliegenfängers zu sein. Diese traten aber alle erst nach 1900 auf den Plan. Damit darf Carl Reisser wohl tatsächlich als DER Erfinder bezeichnet werden. Vermutlich ist nur sein Privileg ausgelaufen.  

Carls Ehefrau Caroline unterstützte ihn tatkräftig bei seiner Arbeit. Jedenfalls erhielten die beiden auch gemeinsame Privilegien. So z.B. 1860 für die Erfindung, von Ratten-, Schwaben- und Mäuse- Vertilgungspillen. Die beiden stellten neben verschiedenen Toiletteartikeln auch ein patentiertes Haarfärbemittel namens Krynochrom her.  

Carl Reisser wirkte auch bei der Entwicklung eines „aerostatischen Observationsapparates“ mit. Im September 1866 wurde das „Gefährt“ unter Beisein der kaiserlichen Hoheiten, der Erzherzöge Albrecht, Wilhelm und Karl Ferdinand getestet. Carl Reisser füllte die Ballons mit Wasserstoff. Unter der Leitung des kaiserlichen Rates Stempf stiegen einige Vertreter des Herres, sowie Reissers Assistent Viktor Alder, mit den miteinander verbundenen Ballons bis über die Höhe des Stephansdomes auf. Nach einer halben Stunde erklärten sie den Apparat für Kriegszwecke geeignet. Man wollte zukünftig damit Beobachtungen über Stellungen und Bewegungen des Feindes machen. 

 

1869 erhielten Carl Reisser und Viktor Alder ein gemeinsames Patent für das Befüllen von kupfernen Zündpillen für Hinterlader-Gewehre mittels einer rotierenden Scheibe. Weiters ein Patent für eine Vorrichtung, mit der die nassgefüllten Zündpillen durch Isolierung gefahrlos getrocknet, transportiert und in die kupfernen Hüllen gepresst werden konnten. Karl Reisser löste sein Einzelunternehmen auf und gründete mit seinem Schwiegersohn die chemische Fabrik „Chemische Produkten- und Patronen-Füllungs-Fabrik C. Reißer & Alder“ in der Hundsthurmerstrasse Nr. 113.   

1874 zog sich Carl Reisser aus dem Geschäft zurück. Das Unternehmen von Karl und Viktor wurde aufgelöst. Viktor Alder gründete dann mit seinem Bruder das Nachfolgeunternehmen „Viktor Alder Chemische Produkten- und Zündkapsel Fabrik“.

 

Familiäres

Carl Reisser kam am 2.11.1815 in St.Pölten zur Welt. Am 19.10.1845 heiratete er in der Schottenpfarre in Wien Caroline Wackenroder (*1820). Die beiden hatten mindestens 3 Kinder:

  • Hermine Sophie (1849-1871) ⚭ Viktor Alder (1844-1896)
  • Natalia ⚭ Franz Weilander
  • Karolina

Nicht nur, dass Carl Reisser für ca. 11 Kinder seiner verstorbenen Brüder sorgte, hatte er auch noch großen Ärger mit seiner Schwägerin. Bruder Eduard führte ebenfalls eine Apotheke.  Seine Frau war Katharina geb. Dalberg. Sie nannte sich aber Charlotte. Nach dem Tod ihres Mannes, brachte sie das geerbte Vermögen mit unzähligen Liebhabern durch. Sie verfiel der Genusssucht und vernachlässigte ihre Kinder. Einige Male stand sie wegen Betrugs vor Gericht. Sie wurde aber immer freigesprochen, weil Carl Reisser stets ihre Schulden bezahlte um der Familie Schande zu ersparen. Auch 2 Söhne von Charlotte gerieten auf die schiefe Bahn. Sie wurden wegen Diebstahls verurteilt. Einer der beiden schickte aus dem Gefängnis durch einen ehemaligen Zellengenossen Grüße an die Mutter. Aus dieser Begegnung entspann sich ein intimes Verhältnis der beiden. Nun machten die beiden gemeinsame Sache und unternahmen Betrügereien im großen Stil. Bei der nächsten Anklagte erklärte Carl Reisser, dass er keine Schulden mehr übernehmen werde. Daraufhin erhielt er vom Geliebten seiner Schwägerin gefährliche Drohungen. Carl Reisser machte eine Anzeige, die beiden wurden angeklagt und Arreststrafen gegen sie verhängt. Charlotte fasste 3 Monate Haft und ihr Partner Karl Kramer 1,5 Jahre schweren Kerker aus. 

 

1868 stand Charlotte neuerlich wegen Betrugs vor Gericht. Diesmal wurde sie zu 5 Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Während ihrer Inhaftierung im Landesgericht, hatte sie aus ihrer Zelle freie Sicht auf den Gefängnishof. Dort machten auch die männlichen Inhaftierten ihre Spaziergänge. Bald hatte sie sich einen der Sträflinge als Lustobjekt auserkoren. Zuerst versuchte sie mit Augenzwinkern einen Kontakt anzubahnen. Später schmiss sie ihm dann Liebesbriefchen zu. Diese versteckte sie in Brotstücken. Schließlich entdeckte ein Gefangenenaufseher die romantische Korrespondenz. In einem ihrer Briefchen schrieb Charlotte: „Ich liebe dich, bin nicht arm, unabhängig– lass Dich ein!“ Die beiden erhielten eine Abstrafung und wurden andere Zellen verlegt. Damit wurde der Kontakt vorerst unterbunden. Carl Reisser brach jegliche Verbindung zu seiner Schwägerin ab.

 

1869 heiratete Carls Tochter Hermine den Geschäftspartner ihres Vaters. Hermine Sophie war am 28.9.1849 in Tyrnau in der Stmk. geboren worden und zum Zeitpunkt der Eheschließung 20 Jahre alt. Die Hochzeit von Viktor Alder und Hermine Reisser fand am 22. November 1869 in der Pfarrkirche St.Joseph im 5. Bezirk statt. Am 14. Feber 1871 erblickte ihr Töchterchen Helene Karolina das Licht der Welt. Doch die Freude währte nicht lange. Hermine starb am 6.3.1871 an Typhus. Sie wurde am 8. März am Hundsthurmer Friedhof beerdigt.

 

Viktor Alder heiratete im November 1874 wieder. Bei der Eheschließung von Viktor Alder und Maria Kopitsch fungierte Carl Reisser als Beistand. 

 

Tod und letzte Ruhestätte

Zuletzt wohnte Carl Reisser mit seiner Familie in der Hundsthurmergasse Nr. 77. Carl Reisser starb am 25. Oktober 1889 im Alter von 74 Jahren im Wiener AKH an Altersschwäche. Am 27. Oktober wurde der Leichnam im AKH feierlich eingesegnet und im Anschluss am Zentralfriedhof beerdigt. Das Grab befindet sich in der Gruppe 42C/1/17. Leider ist die Inschrift am Grabstein fast nicht mehr lesbar. Carls Gattin Caroline folgte ihm nur 3 Jahre später nach und wurde an seiner Seite begraben. 

Die ebenfalls hier zur letzten Ruhe gebettete Viktoria Weitlaner war eine Enkelin. Sie war die Tochter von Natalia Reisser und dem städtischen Amtskommissär Franz Weitlaner. Viktoria starb am 6.2.1890 nur 8 Wochen nach ihrer Geburt an einer Entzündung der Luftwege.  

 

Enkelin Helene Alder verh. Hrdliczka (1871-1929) 

Helene Alder wuchs mit ihren Halbgeschwistern aus der 2. Ehe ihres Vaters auf. Sie heiratete den Holzindustriellen und k.k. Forstrat Maximilian Hrdliczka (1865-1958) aus Strassnitz. Helenes Halbschwester Maria Alder (1880-1971) heiratete Maximilians Bruder, den Arzt Dr. Viktor Hrdliczka (1867-1951). Ein weiterer Bruder von Maximilian war Ferdinand Hrdliczka (1860-1942), der Begründer von „Herlango“. 

 

Helene und Max hatten 3 Töchter:

  • Grete (1893–1944) war verheiratet mit dem Kammersänger Arthur Preuss (1878-1944) 
  • Elsa (1894–1988) heiratete den Ziegeleibetreiber Heinrich Zöller aus Düsseldorf
  • Marie (1896–1972) war mit dem Stahlindustriellen Fritz Hones (1887–1980) aus Berlin verheiratet

Bildquellen:

  • Sterberegister Johann Reisser: Matricula Online
  • Werbungen Fliegenpapier: Fremden-Blatt v. 26. April 1857, Seite 23: Anno ONB
  • Fremden-Blatt v. 14. Juni 1857, Seite 19: Anno ONB
  • Morgen-Post v. 25. Juli 1862, Seite 4: Anno ONB
  • Krynochrom: Die Presse v. 31. Oktober 1861, Seite 7: Anno ONB
  • Krynochrom: Fremden-Blatt v. 7. Juli 1863, Seite 12: Anno ONB
  • Parte: Genealogie der Fa. Alder
  • Sterberegister Karl Reisser: Matricula Online
  • Fotos vom Grab Reisser: © Karin Kiradi

 

Quellen:

  • Geschichtewiki Wien
  • Geschichte der Apotheken und des Apothekerwesens in Wien: Wienbibliothek digital
  • Der Bote von Tyrol v. 12. August 1847, Seite 10: Anno ONB
  • Wiener Zeitung v. 9. März 1855, Seite 1: Anno ONB
  • Wiener Zeitung v. 12. Oktober 1855, Seite 15: Anno ONB
  • Wiener Zeitung v. 13. Dezember 1860, Seite 21: Anno ONB
  • Neue Freie Presse v. 28. Oktober 1864, Seite 4: Anno ONB
  • Der Kamerad v. 7. September 1866, Seite 5: Anno ONB
  • Wiener Zeitung v. 6. März 1869, Seite 17: Anno ONB
  • Neues Fremden-Blatt v. 20. April 1867, Seite 10: Anno ONB
  • Gemeinde-Zeitung v.  1. April 1868, Seite 10: Anno ONB
  • Gemeinde-Zeitung v. 29. April 1868, Seite 3: Anno ONB
  • Neue Freie Presse v. 20. April 1867, Seite 6: Anno ONB

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Kommentare: 2
  • #1

    HACKER Karl (Sonntag, 29 Oktober 2023 23:07)

    Sehr geehrte Frau Karin Kiradi,
    vielen herzlichen Dank für Ihre tollen Recherchen.
    Machen Sie bitte so weiter...
    DANKE!
    Beste Grüße
    Karl Hacker

  • #2

    Othmar E.R. PUSCH sen. (Montag, 30 Oktober 2023 16:50)

    Spitze! Weitermachen (wie Kollege Karl es im ersten Kommentar treffend formulierte). GlG/Othi :-)