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Alexander Girardi (1850 - 1918)

Sänger, Opfer einer Intrige und Schwiegersohn Bösendorfers

Alexander Girardi

Adelige Ahnen

Alexander Girardi entstammte einem der ältesten Adelsgeschlechter Siziliens. Als Stammvater gilt ein gewisser Ugolino de Girardi. Während die Girardis um 1300 im Gebiet von Ragusa zu Hause waren, gehörten sie im 14. und 15. Jahrhundert zum Hochadel Messinas. Ein Abate Giuseppe Maria de Girardi aus Cammarata erhielt den Titel Baron von Luparllo (1665). Ein anderer bekleidete eine der höchsten Stellen in der Regierung des Königreichs Sizilien (1787). Schließlich vertrieb die Revolution die Girardis aus Sizilien.  Johann Anton Baron von Girardi wanderte in das heutige Südtirol  aus. Dort ließ er sich als Gebirgsbauer nieder und heiratete eine Bauerntochter namens Magdalena Zardini. Ihr gemeinsamer Sohn erhielt den Namen Andreas.  Dieser zog in die Steiermark, erlernte in Knittelfeld das Schlosserhandwerk und gründete später in Graz eine eigene Schlosserwerkstätte. Er ehelichte Maria Spindler, die Tochter eines Kleinhäuslers. Aus dieser Ehe ging am 5. Dezember 1850 der Knabe Alexander hervor. Alexander war das jüngste von 5 Geschwistern, aber nur er überlebte das Kleinkindalter. 

 

Alexander Girardi auf der Bühne

Jugend und erste Theatererfahrungen

Alexanders Vater starb 1858. Alexander war keine besondere Leuchte in der Schule. Er brachte es nur bis zur 3. Volksschulklasse. Und diese musste er sogar wiederholen. Die Mutter heiratete ein 2. Mal -  Ignaz Sučič. Er war der Geselle ihres verstorbenen Mannes und mittlerweile selbst Meister. Mit 11 Jahren begann Alexander in Graz eine Schlosserlehre. Mit 15 legte er seine Gesellenprüfung ab.

 

Schon als Lehrling ging er gerne ins Theater. Mit seinem Meister arbeitete er im Landestheater in Graz am Schnürboden. Dort blieb er dann auch immer während der ganzen Vorstellung und sah sich viele Stücke an. Einmal schlief er bei einem langen Monolog in "Richard III." ein und fiel vom Schnürboden direkt auf die Bühne.

 

Eine Anekdote besagt, dass Johann Nestroy Alexander einen Gulden geschenkt haben soll, weil er ihm das klemmende Schloss seines Reisekoffers öffnen konnte. Ob dies dazu beigetragen hat, seine Leidenschaft für das Theater zu entfachen, ist nicht überliefert. Jedenfalls trat der junge Alexander gegen den Willen seines Stiefvaters schon bald der Laienschauspielgruppe “Die Tonhalle” bei. Bis zum Tod des Stiefvaters 1868 arbeitete er noch als Schlosser, dann wandte er sich ganz dem Theater zu. Vorerst noch ohne Wissen seiner Mutter. Erste Bühnenerfahrungen sammelte er in kleineren Theatern in der Steiermark, Krems, Karlsbad, Bad Ischl und Salzburg. 

 

Wirken als Schauspieler

Girardi war vor allem als Komiker und im "leichten Fach" erfolgreich. Aber auch in zahlreichen Operetten glänzte er. Damit trug er wesentlich dazu bei, dass die Wiener Operette zu seiner Zeit sehr beliebt wurde.

Alexander Girardi

Bereits 1871 erhielt Girardi ein Engagement am Wiener Strampfer-Theater. Hier debütierte er im Schwank "Nur zwei Gläschen". Bei seinen nächsten Auftritten zusammen mit Josefine Gallmeyer und Felix Schweighofer hatte er bereits die Herzen des Publikums erobert. Auch die Theaterkritiker waren von ihm angetan. Und das alles ohne jemals Schauspiel- oder Gesangsunterricht genommen zu haben.

 

1874 wechselte Girardi ans Theater an der Wien, dem er 22 Jahre lang treu blieb. Dort feierte er auch seine größten Erfolge als Gesangskomiker. 1896/97 wirkte er am Carltheater und anschließend zwei Jahre am Deutschen Volkstheater in Wien. Daneben führten ihn Gastspiele an alle anderen bedeutenden Bühnen in Wien, aber auch an diverse Bühnen in Deutschland.

 

Eine seiner bekanntesten Rollen war der Valentin in Raimunds "Verschwender" mit seiner Interpretation des Hobelliedes. 1913 drehte Girardi den Spielfilm "der Millionenonkel" nach einem Drehbuch von Ernst Marischka. Besonders beliebt war Girardi für  seine Interpretation der Wienerlieder von Alexander Krakauer. Aber auch weniger bekannten Komponisten verhalf er mit seinem Vortrag zu bleibendem Erfolg. So etwa wurde das "Fiakerlied" von Gustav Pick durch seine Interpretation berühmt.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs zog sich Girardi von der Bühne zurück.  Zwei Monate vor seinem Tod 1918 nahm er nochmals ein Engagement des Wiener Burgtheaters an und trat als Fortunatus Wurzel in Raimunds "Der Bauer als Millionär" auf.

 

Der Ifflandring ist eine Auszeichnung auf Lebenszeit. Der diamantbesetzte Eisenring wird vom jeweiligen Inhaber testamentarisch an den seiner Meinung nach würdigsten deutschsprachigen Bühnenkünstler weitergegeben. Albert Bassermann hatte Alexander Girardi in seinem Testament bedacht. Da Girardi aber 1918 vor ihm starb, nannte Bassermann Max Pallenberg als zukünftigen Ringträger. Als auch dieser 1934 starb, wählte er Alexander Moissi als Nachfolger. Als auch dieser starb, benannte Bassermann keinen Schauspieler mehr. Er war zur Überzeugung gelangt, dass er allen Personen, die er genannt hatte, den Tod gebracht hatte. Nach dem Tod Bassermanns 1952 sprach der "Kartellverband deutschprachiger Bühnenangehöriger" 1954 den Ring schließlich  Werner Krauß zu.

 

PRIVATLEBEN

Helene Odilon

1893 heiratete Alexander Girardi die Schauspielerin Helene Odilon (1863-1939). Helene lagen die Männer zu Füßen und sie war einer Liaison nie abgeneigt. Bereits auf der Hochzeitsreise in Bad Ischl bahnte sich ihre Liebschaft mit dem Bankier Albert Baron Rothschild an. Alexander war eifersüchtig und machte Helene häufig Szenen. Daraufhin ließ sich Helene vom Arzt Dr. Julius Wagner-Jauregg ein Gefälligkeitsgutachten ausstellen, in dem Girardi für geisteskrank erklärt wurde. Auf Grund dieses Attestes sollte er in die Nervenheilanstalt eingewiesen werden. Alexander Girardi erfuhr aber noch rechtzeitig davon und bat seine Schauspielkollegin Katharina Schratt um Hilfe. Diese schaffte es eine unabhängige Untersuchung Girardis zu erwirken. Demnach wurde er für völlig gesund befunden. Die Folge dieser Episode war nicht nur die Scheidung der Girardis, sondern auch eine von Kaiser Franz Joseph angeordnete Gesetzesreform für das Entmündigungsverfahren. Seither ist für die zwangsweise Einweisung einer Person in eine psychiatrische Klinik ein Gerichtsbeschluss erforderlich.

 

Im Oktober 1898 heiratete Girardi zum zweiten Mal. Die Hochzeit mit Leona Latinovich, der Stieftochter von Ludwig Bösendorfer, fand in Bad Ischl statt. Seine zweite Frau war bei weitem nicht so schön wie die Odilon, aber ein herzensguter Mensch. Die Ehe dürfte sehr glücklich gewesen sein. Aus dieser Verbindung stammt der Sohn Anton (Toni) Maria Girardi (1899-1961). Dieser war zuerst auch Schauspieler, wurde dann aber  freier Schriftsteller. Er lebte in Hamburg.

 

 

Anekdoten über Girardi

Als Girardi eines Tages von einem Kollegen gebeten wurde ihm Geld zu leihen, sagte Girardi: "Wissen's was, lieber Herr, simma lieber gleich bös"!

Alexander Girardi

Als Girardi  einmal nicht zur Probe kam, waren alle unruhig. Endlich, erschien er mit einer einstündigen Verspätung. Der Dirigent war wütend und meinte: "Ich an ihrer Stelle wäre überhaupt nicht gekommen!" Darauf erwiderte Girardi selbstsicher: "Sie haben eben kein Pflichtgefühl! Ich bin aber viel zu gewissenhaft für solche Sachen".

 

Girardi wurde wegen einer Ehrenbeleidigung verurteilt. Er musste sich persönlich in der Wohnung des Klägers einfinden und sich entschuldigen. In der Wohnung über dem Kontrahenten wohnte ein gewisser Hr. Schmidt, den Girardi flüchtig kannte. Girardi fand sich wie befohlen in der Wohnung des Klägers ein. Er trat vor ihn und die vom Gericht bestimmten Zeugen und fragte: "Bin ich hier richtig bei Hrn. Schmidt?" Als der Kläger verneinte, sagte Girardi: "Dann bitte ich um Entschuldigung", nahm seinen Hut und ging wieder.

 

Tod und letzte Ruhestätte

Grab von Alexander Girardi

Alexander Girardi litt an einer schweren Diabetes-Erkrankung. Als Folge davon musste ihm das linke Bein amputiert werden. Nach diesem Eingriff erlitt er eine Lungenembolie, an der am 20. April 1918 im Alter von 67 Jahren in Wien starb.

 

Seine letzte Ruhestätte fand er im Familiengrab am Zentralfriedhof, das ehrenhalber gewidmet wurde. Das Grab befindet sich in der Gruppe 33E, Reihe 9/15-16 in der Nähe der Präsidentengruft und ist von Tor 2 aus leicht zu erreichen.

 

Seine 2. Ehefrau Leona starb nur 4 Wochen nach ihm - am 20. Mai 1918 und ist ebenfalls in diesem Grab beigesetzt.

 

Alexander Girardi als Namensgeber

Girardigasse

1918 wurde im 6. Wiener Gemeindebezirk die Girardigasse nach Alexander Girardi benannt. Auch in Salzburg und Graz trägt jeweils eine Straße seinen Namen. 2006 wurde im 1. Wiener Gemeindebezirk der Girardipark eröffnet, in dessen Zentrum ein Steindenkmal Alexander Girardis steht. Dieses wurde 1929 von Otto Hofner

Denkmal Alexander Girardis im Girardipark in Wien

geschaffen und zeigt Girardi in der Rolle des Valentin im Theaterstück "Der Verschwender" von Ferdinand Raimund.

 

Auch eine Fleischspeise soll angeblich auf Alexander Girardi zurückgehen. Und so soll es dazu gekommen sein: Eines Tages waren Alexander Girardi und Kaiser Franz Joseph in Bad Ischl gemeinsam bei der Schauspielerin Katharina Schratt zum Essen eingeladen. Während der Kaiser Rindfleisch liebte, bevorzugte Girardi Vegetarisches. Um die Vorlieben der beiden Herren unter einen Hut zu bringen, wies Katharina Schratt kurzerhand ihre Köchin an, das Rindfleisch mit Gemüse völlig zu bedecken. Das war die Geburtsstunde des Girardi-Rostbratens. Für alle, die diese Köstlichkeit nachkochen wollen, gibts hier das Rezept.

 

Girardi-Hut

Alexander Girardi prägte auch die Hut-Mode seiner Zeit. Der Künstler trug mit Vorliebe einen flachen Strohhut mit gerader Krempe. Schon bald war der "Girardi-Hut" in Wien ein angesagtes modisches Accessoire.


Bildquellen:

  • Alexander Girardi jung - Wikipedia
  • Girardi als Vogelhändler - Steffi-Line
  • Alexander Girard (mit Bart) - Geni
  • Alexander Girardi (älter) - Geni
  • Helene Odilon - Geni
  • Leonie Latinovich - Wiener Bilder v. 26. Mai 1918, Seite 9: Anno ONB
  • Grab - © Karin Kiradi
  • Girardigasse - © Karin Kiradi
  • Denkmal - © Karin Kiradi
  • Girardi-Hut - Hut-Online

Quellen:

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Kommentare: 4
  • #1

    Herbert Resetarits (Montag, 04 Oktober 2021 11:42)

    Danke für den interessanten Beitrag der mir wieder einiges Neues über Alexander Girardi übermittelte. Freue mich immer auf die wirklich spannenden Texte von Ihnen.
    mit freundlichen Gruß Herbert Resetarits

  • #2

    Gabi Steindl (Montag, 04 Oktober 2021 20:32)

    Auf diesen Beitrag hab ich schon länger gewartet. Ev. eine nicht aufgedeckte Verwandtschaft von dir? Die Namensähnlichkeit ist schon auffällig. �

  • #3

    Gabi Steindl (Montag, 04 Oktober 2021 20:34)

    Gemeinsamkeiten mit der Leidenschaft zum Theaterspielen gibt es auch

  • #4

    Manuela Robben (Samstag, 09 Oktober 2021 03:30)

    Es war Mal wieder eine schöne Reise in die Vergangenheit